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Wir bitten um Dein Verständnis.

Theresa & Josef
mit "Ulrike S."



"Ulrike S." und ich sind beide ehemals Betroffene, mittlerweile seit vielen Jahren ehrenamtlich tätig.
Aufgrund der großen Nachfrage möchten wir Euch aber nach wie vor gerne die Möglichkeit bieten, mit uns in Kontakt zu treten.

Herzliche Grüße und Mut zur Therapie,
alles Liebe,
Theresa und "Ulrike S."


eine Auswahl an Inhalten aus der alten Zwaenge.at Webseite:

23. Brief von Ulrike S.

Liebe von der Zwangserkrankung Betroffene, Für all jene, die mich von der Seite her noch nicht kennen, möchte ich mich noch kurz vorstellen: Ich habe 27 Jahre lang zunächst unter Kontrollzwang und dann, sich verschiebend, unter Waschzwang gelitten. In dieser langen Zeit des Krankseins haben sich außerdem verschiedenste andere Zwanghaftigkeiten dazugesellt (religiöse Zwänge, zwanghaftes Zählen, .....), so daß ich schon aus eigenem Erleben viel Verständnis dafür habe, was Zwangserkrankung bedeuten kann. Es war eine zunehmend sehr schlimme Zeit, ich war mir so fremd geworden. "Wie kann ich überhaupt noch funktionieren?", das war meine große Angst. Endlich hatte ich erfahren, daß es Hilfe gibt, das war die Kognitive Verhaltenstherapie.

Diese hatte zwei Jahre gedauert, dann war der "Spuk" vorbei. Anschließend an die beendete Therapie konnte ich 13 Jahre lang bei meinem ehemaligen Therapeuten als Cotherapeutin arbeiten. Das war ein "Job", der sich aus meinem Interesse für die Behandlung von Zwangskranken ergeben hatte und eigentlich nicht als Berufsbild möglich und etabliert ist. Nach Beendigung dieses "Jobs" habe ich auf der www.zwaenge.at das "Sorgentelefon" übernommen. Das wäre also ganz grob umrissen mein "Steckbrief".

Heutzutage gibt es viel mehr an Informationsmöglichkeiten rund um die Zwangsproblematik als zur Zeit meiner Erkrankung. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan. Der Beginn meiner eigenen Erkrankung liegt nun schon an die 30 Jahre zurück. Damals hieß es: Es gibt keine Therapie. Mir wurde lediglich empfohlen, möglichen Auslösern von Symptomen aus dem Weg zu gehen. Das war eine schwer erfüllbare Empfehlung, da meine Zwänge doch so sehr mit den Mitmenschen und den Erfordernissen in meinem Alltag zu tun hatten! Heute gibt es gute Therapiemöglichkeiten und Medien, die davon berichten.

Deshalb habe ich mir vorgenommen, Euch hauptsächlich davon zu erzählen, was mir in meiner eigenen Therapie besonders geholfen hat, und was ich durch meine Erfahrungen zum Abbau von Zwängen gut finde. Die Ratschläge sind also von mir erprobt, denn ich habe eine erfolgreiche, erlebnisreiche, aber schon recht schwierige und fordernde Therapie hinter mir. Jetzt also zur wohl wichtigsten Erfahrung, die ich gemacht habe:

Ohne zum Teil massiven Einsatz und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Therapeuten oder der Therapeutin wird Therapie wohl nicht so gelingen, daß sie nachhaltig hilft und erhebliche Besserung, wenn nicht gar praktisch Freisein von den Symptoen bringt.

Auf zur Erfahrung Nummer zwei:

Mir hatte das Modelllernen sehr viel gebracht. Ich muß immer wieder an dieses Lernen denken, wenn ich beobachte, wie meine dreijährige Enkelin ständig nachmacht, was ihr der fünfjährige "große Bruder" vormacht. Sie lernt Treppensteigen wie er das schon kann und Puzzlespielen und von eins bis zehn zählen. Daß der große Bruder dieses Nachahmen seiner kleinen Schwester auch manchmal ausnützt und sie zu allerhand Lausbübereien animiert, das ist eine andere Geschichte! Kinder lernen durch Nachmachen. Zwangspatienten sind in manchen vom Zwang besetzten Situationen in ihrer Unsicherheit wie kleine Kinder. Das sollen und dürfen wir uns eingestehen, dann können wir auch unsere zwangsbedingte Hilflosigkeit akzeptieren und durch vertrauensvolles Nachahmen lernen, was Therapeuten uns zeigen. Das gilt für`s Handeln, wie auch für`s Denken und für`s Aufgeben von alten Vorstellungen. So war die Begleitung und das Vormachen durch den Therapeuten dort, wo der Zwang stattfindet, für mich zunächst von geradezu lebensnotwendiger Bedeutung. Patienten können daran lernen, wie der Therapeut Hände wäscht, eine Türe schließt, sie lernen durch miteinander Arbeiten beim Hausbesuch, daß Dinge stehen dürfen, wie Sie es wollen und nicht wie der Zwang das einfordert; daß Einkaufen auch recht fein sein kann und kein von Zwangsangst begleiteter Spießrutenlauf; daß ein Nachfragen an der Kasse im Warenhaus oder im Gespräch mit anderen unterbleiben darf - ohne die zwanghaften Grübeleien danach. Vieles kann durch "Abschauen" und Nachahmen gelernt werden.

Ich war, das habe ich schon erwähnt, durch viele Jahre sogenannte Cotherapeutin. Das ist meines Wissens leider noch kein wirklicher Beruf mit Ausbildung und Berufsabschluß. Aber Therapeuten können selbst mit Euch "vor Ort" gehen, oder angebunden an Institutionen medizinisches Personal (z.B. psychiatrische Krankenpfleger oder Pflegerinnen) oder auch Psychologiestudenten in Ausbildung bitten, Euch in Form von Zusammenarbeit mit dem Therapeuten begleitend helfen.

Und nun zu Therapieerfahrung Nummer drei:

Die Therapie der Wahl für Zwangskranke heißt Kognitive Verhaltenstherapie. Kognitiv heißt hier: die Erkenntnis betreffend. Die Erkenntnis, dass frühere Vorstellungen im Denken und Handeln von der Zwangskrankheit herrühren können; dass Ihr lernen solltet, diese alten Vorstellungen aufzugeben um euch auf Neues einlassen zu können. Das heißt z. B. zu lernen, daß es nichts Hundertprozentiges gibt, daß wir uns auch mit Fehlern gern haben dürfen und von anderen (netten!) Leuten akzeptiert und gemocht werden. Dass nicht jedes Übersehen gleich zur Kathastrophe führt. Dass es Missverständnisse geben darf, dass es absolute Sauberkeit und Freisein von Keimen nicht gibt, dass wir auch mal etwas riskieren sollen, sonst erstarren wir im ewig Althergebrachten; daß Gott (so wir an Gott glauben) unendlich barmherzig ist. Wir lernen, uns wieder selbst zu vertrauen.

All diese Erkenntnisse habe ich für mich geradezu lebensnotwendig in die Therapie gepackt. Ich habe das "Hilfsgedanken" genannt und die verschiedensten Hilfsgedanken vor, während und nach Therapieschritten eingesetzt. Obwohl ich mich im großen und ganzen zwangsfrei nennen darf, mag ich solche Hilfssätze heute noch gerne. Vorsicht! Wenn ihr z.B. Angst habt, ihr könntet Eurem Kind etwas antun, dann sagt nicht: "Ich bin doch eine gute Mutter." Das ist kein Hilfsgedanke, sondern eine Rechtferigung für einen Zwangsgedanken. Mit dem Zwang diskutiert man nicht, der will immer das letzte Wort haben.

In der Therapie hätte ich mir neues Handeln Lernen nicht ohne die Begleitung von hilfreichen Gedanken vorstellen können. Ich habe das, glaube ich, in einem meiner drei Büchlein beschrieben: Da habe ich mir einmal vorgenommen, zum Bahnhof zu gehen und mich dort therapiemäßig herumzutreiben. Das klingt jetzt locker aber für mich war das damals schon eine riesen Herausforderung. Große Angst habe ich vor dem für mich so ekeligen Bahnhof gehabt. Auf dem ganzen Weg zum Bahnhof habe ich mir vorgeagt: "Es ist nichts, was ich zu fürchten brauche."

So, das waren meine drei wichtigesten Ratschläge. Was ich sonst noch erlebt habe, als Kranke, in Therapie, als Gesunde danach, das könnt ihr in meinen drei Büchlein nachlesen.

Liebe Betroffene! Etwas zum guten Schluß: Internet kann für Informationen gut sein, aber lesen Sie die negativen Erfaharungen von Betroffenen lieber nicht. Wer weiß, weshalb manche keinen oder wenig Erfolg hatten. Probiert es lieber selber aus, lasst Euch auf Hilfe in Form von Kognitiver Verhaltenstherapie ein. "Ich bin neugierig, was passiert," hatte kürzlich ein Anrufer gesagt, der sich nach zehn Jahren Krankheit mutig zu einer Therapie angemeldet hat. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich durch eine Therapie von meinem zwanghaften Verhalten lassen kann", das höre ich auch immer wieder und konnte es mir vor meiner Therapie auch absolut nicht vorstellen. Diese Therapie muß man erleben, dann stellt sich die Einsicht ein. Ich selbst habe Therapie zunächst gefürchtet und gleichzeitig sehr herbeigesehnt. Unvorstellbar, wenn ich mich nicht drauf eingelassen hätte!

Und noch etwas: Schließt nach beendeter Therapie nicht aus, Euch wieder einmal ein Auffrischungsgespräch beim Therapeuten zu gönnen, wenn ihr das gut für Euch findet. Der Zwang hängt sich gerne an schwierige Lebenssituationen.

Ich grüße Euch recht herzlich und wünsche Euch Ausdauer, Mut und viel Kraft in der Therapie. Es darf ruhig eine Schritt-für-Schritt Therapie sein, für die ihr Euch und dem Therapeuten Zeit geben könnt.

Ich heiße Euch herzlich willkommen beim "Sorgentelefon".


1. Brief von Ulrike S.

Es ist ein zusätzliches Leiden bei der Zwangserkrankung, daß man nicht drüber reden kann, wie über ein gebrochenes Bein. Doch, reden drüber geht schon, nur schafft das meist keine Erleichterung, weil einen die Leute ansehen, als ob man von einem anderen Planeten käme. Ich hatte da selbst die schlechtesten Erfahrungen. Eigentlich hatte ich gar keine Erfahrungen, weil ich niemandem von meiner inneren Qual erzählen wollte. Nur mein Mann hatte davon gewußt. Andere haben mein komisches Verhalten wahrscheinlich auch beobachtet, aber nicht als Krankheit, sondern als merkwürdiges Verhalten und schlechte Charaktereigenschaften ausgelegt.

Nun gibt es bei der sogenannten Merkwürdigkeit des Zwanges auch noch Unterschiede. Ich was einmal bei einem Workshop. Betroffene waren froh, auch mal im kleinen Kreis über ihre Krankheit reden zu können, nicht nur bei einem Therapeuten. Auch einmal von anderen erzählt bekommen und erstaunt sein, daß sie nicht allein auf der Welt sind mit ihrer Erkrankung. Aber da gab es auch einige, die blieben ganz still. Sie waren nur Zuhörer. Ich habe ihnen angesehen, daß sie etwas enttäuscht waren. Sie haben sich nicht an den Gesprächen beteiligt. Sie konnten sich nicht mit den anderen austauschen und sich dadurch erleichtern und für sich profitieren. Für sie war es, als ob wir am Thema vorbeireden würden. Waschen, kontrollieren, ordnen, sammeln, nein all das waren nicht ihre Probleme. Sie haben sich, trotz der Offenheit der anderen, über die Zwänge zu sprechen, geschämt.

Wir haben dann diese Schweigsamen direkt angesprochen: "Könnte es sein, daß hier gar nicht über die Symptome gesprochen wird, unter denen Sie leiden? Haben Sie vielleicht das Gefühl, Ihre Zwänge seien noch viel merkwürdiger und schwieriger zu schildern als die der übrigen?" So war es dann auch. Darauf haben auch diese den Mut gefunden, zu erzählen. "Ich getraue mich nicht, von einem Raum in den anderen zu gehen. Weil ich fürchte, daß dann meine Mutter sterben wird." "Ich muß mit dem Kopf verneinende Bewegungen machen, damit der Teufel weiß, daß ich nicht meine Seele verkaufe." "Ich getraue mich nicht, auf der Straße den Menschen ins Gesicht zu schauen. Ich fürchte nämlich, jemand könnte meiner Freundin ähnlich sehen. Und wenn dies der Fall wäre, dann müßte ich gleich einen Gegengedanken haben zu meiner Befürchtung, daß die Freundin mich nicht mehr mag." "Ich muß in Gedanken den Weg zurückverfolgen, den die zehn Euro in meiner Geldtasche genommen haben, damit ich weiß, daß ich mich nicht durch Diebstahl schuldig gemacht habe." Ich darf auf der Straße auf keine Zigarettenkippe treten", schilderte ein junger Mann. "Jemand der erst fünfzig Jahre alt ist, könnte die Zigarette geraucht haben. Wenn ich durch Drauftreten Kontakt mit dem Zigarettenstummel habe, dann werde ich nicht älter als fünfzig Jahre. Das ist mir zu wenig. Auch hundert Jahre sind mir zu wenig, hundertfünfzig auch. Ich will überhaupt keine Altersbegrenzung für mich aussprechen." "Aber dreihundert Jahre, das dürften Sie schon sagen", fragte ich vorsichtig. Der junge Mann schaut mich vorwurfsvoll an. Ob ich ihm kein langes Leben wünsche, fragt er mich.

Ja, das sind auch Zwänge. Genauso, wie zwanghaftes Waschen und zwanghaftes Kontrollieren auch. Und auch für solche Zwänge gibt es Therapie. Eine Zwangserkrankung ist nichts, wovor Sie Sich schämen müssen. Auch wenn Ihre Zwangsvorstellungen noch so anders und ausgefallen sind. Ich würde mir nur gut überlegen, wem ich davon erzählte. Sie müßten einigermaßen sicher sein, Ihr "Outen" nicht zu bereuen. (Wenn Sie das Pech haben, daß auch ein Therapeut große erstaunte Augen macht, wenn Sie erzählen, dann sollten Sie wahrscheinlich einen anderen suchen, der mehr Erfahrung mit Zwangspatienten hat.)

Ich habe meiner Ursprungsfamilie nie etwas von meiner Erkrankung erzählt, weil ich wußte: Mit solchen Krankheitssymptomen sind die überfordert, ich hätte keinen Profit, keine Erleichterung davon, in meiner Ursprungsfamilie hat man mit psychischen Problemen an der frischen Luft spazieren zu gehen, das hilt und tut gut. Alles erzählen, ganz ohne sich zu schämen, das können Sie bestimmt bei erfahrenen Verhaltenstherapeuten. Kognitive Verhaltenstherapie heißt die Therapie genau; das sage ich Ihnen dashalb ausdrücklich, weil diese die Behandlung ist, die sich bei Zwängen brauchen.

Herzliche Grüße Ihre Ulrike S.


Erfahrungsbericht: "Verhaltenstherapie" von Theresa

Man lernt mit Hilfe des Therapeuten die gefürchteten Dinge wieder ganz normal - nur einmal nicht fünf Mal - zu erledigen. Geld ohne Handschuhe anzugreifen, ohne daß etwas dabei passiert. Ein Messer in die Hand zu nehmen, ohne Angst dabei zu haben, man könnte jemanden verletzen.

Wichtig:

Es geschieht nichts ohne die Einwilligung des Patienten, Schritt für Schritt, ganz langsam und nur so lange der Betroffene es will. Nur keine Angst vor der Therapie: Im Gegenteil, es tut richtig gut, ein Gegenüber gefunden zu haben, das ganz und gar Verständnis für die Krankheit zeigt; wo man ohne Hemmungen darüber reden kann. Oft ist es ja auch unangenehm sich darüber zu unterhalten, aber man merkt sehr bald, daß man dem Therapeuten wirklich die absurdesten Dinge anvertrauen kann, ohne irgendwie auf Verwunderung zu stoßen; und das tut gut!

Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich den Zwang folgendermaßen beschreiben: Er ist vergleichbar mit einem lästigen kleinen Kerl, der auf Deiner Schulter sitzt und Dir natürlich immer das Gegenteil davon einredet (ins Ohr flüstert), was Du eigentlich willst.

Er ernährt sich von Deiner Aufmerksamkeit! Um so mehr Du ihm davon schenkst, desto unverschämter wird er.
Er wird immer kräftiger und Du hingegen immer abgekämpfter und schwächer.
Versuche ihn ganz einfach links liegen zu lassen, das verkraftet er am wenigsten.
Ich weiß natürlich, daß ich mich jetzt leicht rede, aber glaub mir, die Therapie macht sich bezahlt!
Ich war durch meine Umstände (siehe „mein Krankheitsbild“) wirklich auch total geschwächt und hatte daher anfangs auch sehr wenig Kampfgeist, aber wie man sieht, habe auch ich dann meine Erfolge erzielt.
Ich getraue mich auch zu behaupten, daß es nicht im Bereich des Möglichen liegt, das lästige Anhängsel von heute auf morgen zu vertreiben - es braucht sicherlich seine Zeit, aber der Erfolg macht sich in den verschiedensten Sachen bemerkbar. Man kann insgesamt das Leben wieder viel besser genießen als vorher. So viele verschiedene Dinge waren so lange auf Eis gelegt und erwachen dann wieder aus ihrem Winterschlaf. Ich kann Dir, was meine Person anbetrifft, folgende ganz simple Beispiele nennen: der Anbetracht eines Sonnenunterganges, ein gutes Essen, ein Konzert und vieles mehr.
Daher laß Dich nicht entmutigen, wenn die Aufgaben der Therapie anfangs nur schwer bzw. nicht durchführbar sind; die Fortschritte machen sich bald bemerkbar! Bei jedem bißchen Erfolg bist Du dem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen.


Der Zwang ist ein hartnäckiger Kerl, aber laß nicht locker ihm zu zeigen,
daß Du noch hartnäckiger sein kannst!


Theresa


Erfahrung in Sachen Zwang und Verhaltenstherapie

Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich den Zwang folgendermaßen beschreiben: Er ist vergleichbar mit einem lästigen kleinen Kerl, der auf Deiner Schulter sitzt und Dir natürlich immer das Gegenteil davon einredet (ins Ohr flüstert), was Du eigentlich willst.

Er ernährt sich von Deiner Aufmerksamkeit! Um so mehr Du ihm davon schenkst, desto unverschämter wird er.
Er wird immer kräftiger und Du hingegen immer abgekämpfter und schwächer.
Versuche ihn ganz einfach links liegen zu lassen, das verkraftet er am wenigsten.
Ich weiß natürlich, daß ich mich jetzt leicht rede, aber glaub mir, die Therapie macht sich bezahlt!
Ich war durch meine Umstände (siehe „mein Krankheitsbild“) wirklich auch total geschwächt und hatte daher anfangs auch sehr wenig Kampfgeist, aber wie man sieht, habe auch ich dann meine Erfolge erzielt.
Ich getraue mich auch zu behaupten, daß es nicht im Bereich des Möglichen liegt, das lästige Anhängsel von heute auf morgen zu vertreiben - es braucht sicherlich seine Zeit, aber der Erfolg macht sich in den verschiedensten Sachen bemerkbar. Man kann insgesamt das Leben wieder viel besser genießen als vorher. So viele verschiedene Dinge waren so lange auf Eis gelegt und erwachen dann wieder aus ihrem Winterschlaf. Ich kann Dir, was meine Person anbetrifft, folgende ganz simple Beispiele nennen: der Anbetracht eines Sonnenunterganges, ein gutes Essen, ein Konzert und vieles mehr.
Daher laß Dich nicht entmutigen, wenn die Aufgaben der Therapie anfangs nur schwer bzw. nicht durchführbar sind; die Fortschritte machen sich bald bemerkbar! Bei jedem bißchen Erfolg bist Du dem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen.


Der Zwang ist ein hartnäckiger Kerl, aber laß nicht locker ihm zu zeigen,
daß Du noch hartnäckiger sein kannst!


Theresa


Beispiele eigener Therapiemaßnahmen

In diesem Bericht möchte ich versuchen, Dir ein paar einzelne Therapiemaßnahmen zu schildern. Jedoch möchte ich betonen, daß es nicht möglich sein wird, nur mit diesen Beispielen eigenhändig eine Therapie zu machen; Du solltest das Ganze auf jeden Fall gemeinsam mit einem Therapeuten angehen! Ich hoffe jedoch, daß Dir die folgenden Beispiele eine kleine zusätzliche Hilfe sein können!

Zwangsgedanken:

Du sollst versuchen, vor einem Zwangsgedanken nicht zu erschrecken; denn dann beginnt das „verkrampfte Festhalten“ (Fertigdenken, Wiedergutmachen). Wenn es Dir einmal gelingt, so einen Gedankenblitz ganz einfach selbst zuzulassen und dabei locker zu bleiben, zeigst Du ihm schon in ersten Ansätzen seine Unwichtigkeit. Umso öfter es Dir dann mit der Zeit gelingt, desto mehr rückst Du den lästigen Mitbewohner ins Abseits. Anfänglich würde ich lieber davon sprechen, so zu tun als ob Du ihn nicht mehr beachten würdest, denn so schnell wird es nicht möglich sein, ihm wirklich Gleichgültigkeit zu zeigen.

Versuche Dir immer wieder vor Augen zu halten: Zwangsgedanken sind nicht Deine eigenen Gedanken, sie wurden Dir nur „aufgezwungen“ und sind daher bedeutungslos!


Zwangshandlungen:

Ich nehme als Beispiel das Händewaschen (Waschzwang):
Du machst die Handlung ein Mal konzentriert und wenn sich nachher der Übeltäter wieder aufdrängt, könntest Du ihm beispielsweise sagen:
Ich habe die Hände gewaschen und werde es wegen Dir ganz bestimmt kein zweites Mal mehr tun. Sie sind ausreichend sauber! Dann versuche gleich wieder, mit der zuletzt begonnen Arbeit bzw. Beschäftigung weiterzumachen.
"100% sauber" kann es nicht geben beim Händewaschen und braucht es auch nicht zu geben.

Da der Zwang ja vergleichbar ist mit einem lästigen Kerl der Dir auf der Schulter sitzt und laufend unangenehme Dinge ins Ohr flüstert kannst Du in der Therapie auch Gespräche führen wie zum Beispiel:

* ihn beschimpfen: Sei doch still, Du übler Mitbewohner!
* ihn verjagen: Dort hat der Zimmermann „die Tür“ gemacht und da schaust Du lästiger Kerl jetzt auf der Stelle, daß Du rauskommst!
* ihn ins Lächerliche ziehen: Was willst denn DU schon wieder.
* Das Allerbeste ist natürlich, ihn gar nicht zu beachten, aber das lernst Du ja im Zuge dessen.

Er ernährt sich von Deiner Aufmerksamkeit! – unser Ziel ist es daher, ihn aushungern zu lassen.

Versuche die Zeit in der Du Dich mit dem Zwang auseinandersetzest etwas einzubremsen. Eine gute Technik ist zunächst einmal die Technik des Aufschiebens. Jene versuche im fortgeschrittenen Therapiestadium immer wieder zu erweitern. Er hat dann beispielsweise nur noch zwischen Abendessen und Nachrichten Deine Aufmerksamkeit und eben dann immer noch weniger. Für später:
Der Zwang würde immer wieder mal gerne mitmischen. Gib ihm einfach nach Möglichkeit keine Chance mehr – er würde nämlich auch gleich wieder unverschämt werden. Aber keine Sorge, Du lernst ja damit umzugehen!!

Wenn die angeführten Beispiele nicht gleich beim ersten Versuch gelingen, so ist das ganz normal , auch bei mir dauerte es seine Zeit.
Also bitte nicht verzweifeln!!!

Theresa


Mein Krankheitsbild damals

Ich habe die Verhaltenstherapie bereits hinter mir - wenn ich heute zurückdenke fallen mir zwanghafte Handlungen schon zu Schulzeiten auf, ja sogar dort schon sehr früh. Damals blieb das Ganze jedoch noch im Rahmen und fiel sonst niemandem auf. Im Arbeitsleben hatte ich auch schon damit zu kämpfen, es wurde jedoch mit Medikamenten (ohne Verhaltenstherapie) wieder erträglich gemacht und aus dem Weg geräumt.

Später, ich hatte inzwischen geheiratet und war bei unserem ersten Sohn schwanger, eskalierte das Ganze.
Zuerst mußte ich die Schwangerschaft gut zu Ende bringen (und ich war eigentlich stolz darauf und sehr gerne schwanger!), jedoch der Zwang erschwerte die Situation ungemein. Depressionen kamen dazu. Als unser Sohn drei Monate alt war mußte ich meine nächste große Entäuschung hinnehmen: Der Zwang fraß mich soweit auf, daß ich nicht mehr länger ohne medikamentöse Hilfe auskommen konnte. Ich mußte sofort abstillen (es viel mir unheimlich schwer!). Ein "normales" Leben (normaler Tagesablauf) war nicht mehr möglich; ich war so gut wie zu keiner Hausarbeit mehr fähig und auch mein Verhalten generell war oft ziemlich gestört durch die Krankheit. Mit Unterstützung des Medikamentes begannen wir nun mit der Verhaltenstherapie. Es war bei mir alles vorhanden: Zwangsängste, Zwangshandlungen, Zwangsgedanken, es wucherte nur noch so in meinem Kopf.
Es waren teilweise richtige "Horrorgeschichten" die sich dann in Zwangsängste auslebten. Es handelte sich dabei meist um unser Kind, das mir ja nun am meisten am Herzen lag. Das nützte der Zwang natürlich peinhart aus.
Die Therapie wurde noch etwas erschwert, da ich nur sehr wenig Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein hatte, auch das lernte ich im Zuge dessen.


Anschließend an meinen Bericht möchte ich mich noch gerne bei meinem Therapeuten Dr. Gerhard Crombach bedanken. Mindestens genauso wichtig war aber auch die Hilfe von Ulrike S. und der Beistand meines Mannes, auch bei ihnen möchte ich mich hier nochmals ganz herzlich bedanken!
Ohne deren Hilfe würde ich heute mit ziemlicher Sicherheit immer noch ein Häufchen Elend sein, das sich täglich nur noch mit Zwang, Zwang, Zwang und nicht mehr viel anderem herumschlagen müßte.
Damit möchte ich Euch alle Betroffenen ermutigen: Bekennt Euch zu Eurer Krankheit! - Macht die Verhaltenstherapie, keine Angst davor, sie hilft Euch wieder zu einem normalen Leben zurück! Umso früher ihr dran seit, desto weniger gibt es am Schluß auszumärzen!


Theresa


"Ulrike S." hat folgende drei Bücher zum Thema geschrieben:

Der Weg aus der Zwangserkrankung


Ulrike S. schildert die Entstehung ihrer Zwänge und vor allem die vielen Einschränkungen, die mit der Krankheit verbunden sind – im Beruf, in der Partnerschaft, der Familie, dem sozialen Umfeld. Sie berichtet im Detail über die Schritte der Veränderung während der Verhaltenstherapie, heraus aus dem Gefängnis ihrer Zwänge zu einem normalen Leben. Gerhard Crombach, ihr Verhaltenstherapeut, erklärt die einzelnen Stufen ihrer Therapie aus seiner Sicht. Hans Reinecker stellt grundsätzliche Merkmale der Verhaltenstherapie von Zwangsstörungen dar. Das Buch macht Betroffenen Mut zur Therapie und zur Veränderung ihrer Lebenseinstellungen.

ISBN: 3-525-01724-3

ABC für Zwangserkrankte - Tipps einer ehemals Betroffene


Ein ABC von "Aberglaube" bis "Zuversicht" als Hilfsmittel für Zwangserkrankte und ihre Angehörigen. Ulrike S. litt über viele Jahre selbst an Zwänge (Waschzwang u. a.), die sie mit Hilfe einer Verhaltenstherapie gänzlich überwinden konnte. In diesem Glossar hat sie ihre Erfahrungen, Gedanken und Ratschläge aufgeschrieben, damit Menschen, die unter Zwängen leiden, darin Rat und Unterstützung finden können. Hans Reinecker hat die Stichwörter als Forscher und Therapeut in fachlicher Hinsicht bearbeitet.

ISBN: 3-525-46263-8

Hilfreiche Briefe an Zwangserkrankte


Ulrike S. hat eine Reihe von Briefen an Zwangskranke und ihre Angehörigen verfaßt. Sie vermitteln Mut und Optimismus in Situationen der Unentschlossenheit und Verzweiflung. Die Autorin richtet ihren Blick nicht auf die Problematik, sondern auf konkrete Handlungen, die in Richtung einer Lösung gehen können. Frau S. zeigt, wie gleichsinnige Bemühungen von Betroffenen, Angehörigen, Therapeuten und Kotherapeuten trotz gravierender Krankheit und Belastung eine Besserung ermöglichen. Die Psychotherapeuten Gerhard Crombach und Hans Reinecker kommentieren die Darstellung aus fachlicher Perspektive.

ISBN: 3-525-01465-1